Leben aus der Substanz – #allesdichtmachen

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Ein Virus als Brennglas.
Als Zoomfaktor.
Es ringt unserer Demokratie viele Entscheidungen ab.
Die wir nicht fällen wollen.
Es lässt Politiker*innen Dinge entscheiden.
Die keinem gänzlich gefallen.
Leben im wabernden Kompromiss.
Die Realität zeigt uns ihre Ambivalenz.
Ihre Härte.
Unser Unvermögen.
Unsere Schwächen.
Unsre verdrängten Verantwortlichkeiten.
Das Leben von der Substanz offenbart seine Spuren.
Hinterlässt einen fahlen Geschmack.
Doch wie begegnen wir?
Lassen wir uns treiben?
Lassen wir uns Wahrheiten entgehen?
Senken wir den Blick zu vermeintlichen Wahrheiten die uns besser gefallen?
Helfen wir (wenn wir können) den Geschwächten?
Leben wir unseren Frust aus?
Halten wir an der Hoffnung fest?
Haben wir Vertrauen auf die Errungenschaften unserer Vorfahren?
Woran sollen wir uns halten?
In Zeiten der Komplexität.
Welche Fehler sind gestattet?
Welche sozialen Folgen sind unumgänglich?
Fragen über Fragen.
Und.
Die Suche nach Antworten.
Nach Ruhe.
Nach Vertrauen.
Nach Halt.
Leicht ist es nicht.
Doch braucht es Kraft.
Braucht Vertrauen in bestehende, unvollkommene Systematiken.
Es braucht Skepsis.
Es braucht Mut.
Es braucht Zusammenhalt.
Es braucht Wahrheit.
Es braucht Wissenschaften.
Es braucht dich und mich.
Es braucht Solidarität.

Ich möchte mich von der #allesdichtmachen-Bewegung distanzieren und im gleichen Atemzug klarstellen, dass die Kolleg*innen trotzdem ehrenwerte und tolle Menschen sind. Ich halte nichts von Hetze und sogenannten „Buhmännern“. Ich kritisiere jedoch die Naivität die hinter dieser Bewegung steckt. Künstler*innen, die sich tagtäglich über (Außen-)Wirkungen Gedanken machen wissen, dass eine nicht geführte Debatte lediglich viel Staub aufwirbelt.
Die Debatte, die aus dieser Bewegung entstanden ist, ist sehr ernüchternd. Ein Hashtag ohne Statement sollte es sein¹. Nun, ein Hashtag kann eine Debatte auslösen – das ist wohl richtig. Er kann sie jedoch nicht zielführend kanalisieren. Ich plädiere für Inhalte. Für Statements. Für Werte in der Öffentlichkeit, denn nur so können wir uns eine Debattenkultur, eine Streitkultur erarbeiten, die uns leider abhandengekommen ist.

Eine Kultur der Innovationen, des lebendigen Streits für etwas. Meinungsverschiedenheiten sind wichtig und unumgänglich in Zeiten der Einschränkungen. Doch meiner Meinung nach sind Menschenleben viel Wert. Auch temporäre Einschränkungen sind meiner Meinung nach in Ordnung. Die Frage ist das Wie und mit dem Wie finde auch ich keinen harmonischen Frieden, sondern einen ambivalenten, inneren Konflikt. Ich habe für mich entschieden, dass mein Konflikt sein darf. Er darf nur nicht Menschenleben kosten und mit diesem Grundsatz begegne ich den Herausforderungen der Zeit. Begegne ich Menschen. Begegne ich Kunst. Und stelle fest, dass man sich auch sehr oft an der eigenen Nase fassen darf.

Ich wünsche Gesundheit, lebendige, demokratische Streits und Liebe in all ihren Facetten in dieser Zeit und sende an alle eine virenfreie, herzliche Umarmung.

Da Andi

Zu #allesdichtmachen 2021 – Eine Bewegung von Künstler*innen zu den Corona-Maßnahmen der Regierungen

¹Zitat aus www.allesdichtmachen.de (Stand: 01.06.21): „Die Aktion #allesdichtmachen hat Wellen geschlagen. Es wurde bewußt entschieden, die Videos nicht mit einem “Statement” zu flankieren, denn dann hätten alle nur über das Statement geredet. Aber das heißt nicht, dass wir nichts zu sagen hätten. Wir leugnen auch nicht Corona oder stellen in Abrede, daß von der Krankheit Gefahr ausgeht und Menschen daran sterben.“